Herr Dankesreiter, welche Berufsausbildung haben Sie?
Ich bin Diplom-Physiker, mein Spezialgebiet war die theoretische Festkörperphysik und Computational Physics. Doch es verschlug mich relativ schnell in die IT: Basierend auf einer Idee meines Professors haben Studienkollegen und ich gemeinsam eine Software-Firma aufgebaut. Später dann habe ich als selbständiger Unternehmensberater gearbeitet und, weil Musik und insbesondere Gesang immer schon meine Leidenschaft war, nebenberuflich als Chorleiter und Stimm-Coach. Erst relativ spät, 2009, bin ich Heilpraktiker geworden.
Warum sind Sie Heilpraktiker geworden?
Ich bin darauf nahezu gestoßen worden: In meiner Zeit als Stimm-Coach habe ich immer wieder die Erfahrung gemacht, dass die Gesangsschüler mit meinen körper- und atemorientierten Übungen, durch das Singen und durch meine simple Frage „Wie geht es Dir?“ sehr schnell an ihre tiefsten Themen, auch an Traumata gekommen sind. Durch unsere Arbeit an der Stimme konnte vieles heilen, was wunderbar war. Mich störte nur, dass ich keine Ahnung hatte, warum das so heilsam war. Und so ganz ohne entsprechende therapeutische Ausbildung war mir das, was da so wundersam passierte, auch etwas unheimlich. Da tauchte das erste Mal der Gedanke auf, dass ich eine Heilpraktikerausbildung machen sollte. Dieser Gedanke ging aber im Tumult des Alltags unter – ich hatte ja mit meinen IT-Projekten und meinem Chor mehr als genug zu tun. Neuer Schwung in die Sache kam, als ein befreundetes Homöopathen-Paar mich mit einem Hammer-Angebot überraschte: Da sie in mir therapeutische Fähigkeiten gesehen hatten, wollten sie mich als Mitarbeiter in ihre homöopathischen Gemeinschaftspraxis aufnehmen. Dabei war ich ja gar kein Heilpraktiker! Daraufhin habe ich mir erst mal Urlaub genommen, gründlich nachgedacht und bin dann zu dem Ergebnis gekommen, dass ich genau das will: Menschen mit Homöopathie helfen und auch zeigen, dass es andere als die offiziell anerkannten Wege gibt.
Wie sind Sie zur Homöopathie gekommen?
Durch Erfahrung am eigenen Leib. Ursprünglich hatte ich keine Berührungspunkte mit Homöopathie. Ich habe mich zwar immer für Naturmedizin und alternative Heilverfahren interessiert, aber als Physiker habe ich natürlich die Homöopathie abgelehnt. Im Nachhinein muss ich sagen: Das war ganz schön arrogant.
Aber dann hat ein Heilpraktiker erst meiner Frau und dann mir bei chronischen Beschwerden recht eindrucksvoll geholfen. Und zwar ausgerechnet mit Homöopathie. Das hat mich offener gemacht für diese Heilmethode und ich wurde neugierig, was es denn damit eigentlich auf sich hat. Dabei halfen mir besonders die Gespräche mit dem befreundeten Homöopathen-Paar, das ich vorhin erwähnte. Mich faszinierte immer mehr, was sie mir von der Homöopathie und auch von ihren Behandlungserfolgen erzählten. Aber erst als dann das Angebot zur Mitarbeit kam, habe ich diesen Wunsch in mir entdeckt, selbst Homöopathie zu praktizieren. Man hat mich wohl wirklich mit der Nase darauf stoßen müssen…
Daraufhin habe ich es angepackt und parallel die Heilpraktiker-Ausbildung und eine SHZ-akkreditierte Homöopathie-Ausbildung gemacht.
Was ist/bedeutet Homöopathie?
Homöopathie bedeutet zuerst einmal, Ähnliches mit Ähnlichem zu heilen. Viele kennen das Grundprinzip, ohne es mit Homöopathie in Verbindung zu bringen. Wenn Sie z.B. kalte Füße haben und dann für eine Minute in ein Kneipp-Becken steigen, dann werden danach Ihre Füße schön warm. Oder ein anderes Beispiel: Ein passionierter Koch hat mir mal erzählt, dass er bei Verbrennungen mit spritzendem heißen Öl die verbrannte Stelle nicht unter kaltes Wasser hält, wie wir es alle gelernt haben, sondern für kurze Zeit in den Dampf des kochenden Nudelwassers. Das brennt kurz, aber danach klingt bei ihm der Schmerz schnell ab, es entwickeln sich keine Blasen und am nächsten Tag spürt und sieht er nichts mehr von der Verbrennung. Auch das entspricht dem homöopathischen Grundprinzip der Ähnlichkeit.
In der Homöopathie therapiert man aber nicht mit solchen physikalischen Anwendungen, sondern mit Arzneimitteln. Und da es als Homöopath meine Aufgabe ist, das Krankheitsbild des Patienten genau zu erforschen, damit ich weiß, wozu das Arzneimittel ähnlich sein soll, bedeutet Homöopathie auch: Zuhören. Ich kenne keine andere Therapiemethode, in der man sich so für die Patienten und ihre Beschwerden interessiert! Das finde ich – neben den Arzneiwirkungen – einen der schönsten Aspekte der Homöopathie: diese interessierte, vorurteilslose Zuwendung zum Menschen. Wo gibt es das noch in dieser Zeit?
Wie läuft eine homöopathische Behandlung ab?
Der Ablauf ist meist immer der gleiche: Es beginnt mit einem gründlichen Erstanamnesegespräch, das bei chronischen Erkrankungen meist 2-3 Stunden dauert, bei Kindern etwas kürzer. Darin erfrage ich aktuelle Symptome, aber auch die gesamte Krankengeschichte bis zurück zur Geburt. Ich will nicht nur das aktuelle Symptomenbild erkennen, sondern auch wissen, wie der Organismus meines Patienten reagiert, welche Organe immer wieder betroffen sind, welche Anfälligkeiten es gibt. Auch die körperliche Untersuchung kann mir dabei die ein oder andere Erkenntnis liefern, ebenso die bisher erfolgte Diagnostik: Die meisten meiner Patienten haben eine ganze Odyssee an Behandlungen hinter sich und bringen teils ganze Ordner an Arztbriefen und Laborberichten mit. Nach diesem ausführlichen Gespräch setze ich mich erst mal in Ruhe hin und analysiere den ganzen Fall. Ich will verstehen, was ich hier vor mir habe: Was steckt hinter der Erkrankung oder hinter dem Sammelsurium an Symptomen? Gibt es einen chronischen Prozess, der alles erklärt? Gibt es deutlicher Auslöser? Gibt es besonders hervorstechende, bedeutsame Symptome? Aufgrund meiner Schlussfolgerungen suche ich dann ein dazu möglichst passendes Arzneimittel, das ich dem Patienten verordne. Wir vereinbaren einen Folgetermin, in der Regel nach 4 Wochen bei chronischen Beschwerden, bei Akuterkrankungen je nach Situation. Bei diesem Folgetermin schauen wir gemeinsam, ob die Arznei gut gewirkt hat oder nicht. Dementsprechend warten wir ab oder ich muss eine neue Arznei verschreiben. Das ganze ist also ein iterativer Ablauf, in dem der Patient und ich in Kontakt bleiben, bis der Patient mit dem Ergebnis zufrieden ist. Oder bis der Patient mangels Behandlungserfolg die Therapie abbricht, auch das kommt natürlich vor.
Kann Homöopathie auch prophylaktisch/vorsorglich eingesetzt werden?
Ich persönlich habe bisher Homöopathie nicht prophylaktisch eingesetzt. Das macht aus meiner Sicht auch nicht so viel Sinn, da ich ja ohne Erkrankung keine Symptome habe, zu denen ich eine passende Arznei finden könnte. Auch das prophylaktische Einnehmen von Arnica vor Operationen sehe ich sehr kritisch. Aus meiner Sicht gibt es aber Ausnahmen, bei denen ein prophylaktischer Einsatz sinnvoll sein kann. Die bekannteste: Bei einigen epidemischen Erkrankungen kann sich ein „Genius epidemicus“ herausbilden, also Symptomenbild, das bei vielen Erkrankten im Wesentlichen gleich ist. Mit diesen Symptomen kann man eine Arznei finden, die möglicherweise eine Erkrankung verhindern kann. Die Homöopathen des 19. Jahrhunderts hatten damit große Erfolge z.B. bei den Cholera-Epidemien.
Welche integrativen Verfahren kommen in Ihrer Praxis zum Einsatz?
Mein Schwerpunkt liegt eindeutig bei der Homöopathie. Gelegentlich setze ich aber Pflanzenheilkunde ein, um den Patienten z.B. bei Hautbeschwerden Linderung zu verschaffen, ohne die Symptome zu unterdrücken. Das funktioniert recht gut. In vielen Fällen halte es für wichtig, meinen Patienten auch auf der mentalen und emotionalen Ebene beizustehen. Es ist nämlich gar nicht so selten, dass Menschen unter krankmachenden Umständen leben und es ganz wesentlich zur Heilung beitragen kann, wenn der Patient es schafft, seine Lebenssituation zu verbessern oder sich aus unguten Situationen zu befreien. Die Lösung dazu kann zwar nur der Patient selbst finden und umsetzen, aber ich kann ihm dabei helfen, z.B. mit Coaching oder Methoden zur Selbstreflexion.
Mit welchen Beschwerden/Erkrankungen kommen Patienten zu Ihnen?
Oh, das ist ein sehr breites Spektrum. Meist geht es um chronische Erkrankungen aller Art: Infektanfälligkeit, Neurodermitis, chronische Gastritis, COPD, Inkontinenz bzw. Bettnässen, Arthritis, Arthrose, Autoimmunerkrankungen. In letzter Zeit melden sich bei mir mehr Patienten mit Post-Zoster-Neuralgien und Impffolgen. Ich behandle auch seltsame Symptome, deren Ursache nicht gefunden werden konnte, z.B. über Jahre ein unangenehmer Geschmack im Mund oder eine immer verstopfte Nase. Aber auch Erkrankungen der Psyche und des Nervensystems, vor allem Angststörungen, Burnout und Depressionen. Auf der akuten Seite kommen Patienten z.B. mit Infekten oder Harnverhalt nach Entbindung.
Würden Sie Ihren Kollegen raten die Homöopathie zu erlernen? Warum?
Homöopathie ist ein Beruf, der gleichzeitig aus dem Himmel und aus der Hölle kommt. Aus dem Himmel, weil es enorm befriedigend und sinnstiftend ist, wenn man Patienten auf diese Art kennenlernen und ihnen helfen darf. Jeder intensive Kontakt zum Patienten ist berührend, jeder Heilungserfolg ein Glückserlebnis! Homöopathie kann regelrecht süchtig machen: Wer einmal gesehen hat, wozu sie in der Lage ist, will immer weiter lernen und seine Fähigkeiten erweitern. Der Stoff geht niemals aus, es gibt Literatur aus mehr als zwei Jahrhunderten zu studieren Also nichts für Faule . Aber es ist eben auch ein Beruf aus der Hölle, nicht nur weil die Suche nach einem Heilmittel extrem schwierig und frustrierend sein kann, sondern vor allem weil es wohl kaum einen Beruf gibt, der so viel Gutes tut, dafür so viel Engagement, Wissen, Fleiss und Beharrlichkeit erfordert und gleichzeitig so stark angegriffen und diffamiert wird. Diese Angriffe werden noch zunehmen. Dennoch sehe ich für homöopathisch arbeitende Heilpraktiker und Ärzte riesige Chancen: Das Vertrauen in die konventionelle Medizin hat in den letzten Jahren massiv abgenommen und viele Patienten suchen nach vertrauenswürdigen, wirksamen und sanften Alternativen. Sie wollen als Mensch behandelt werden, auf Augenhöhe. Genau das ist die Stärke der Homöopathie!
Darum kann ich nur sagen: Wenn jemand therapeutisch arbeiten will und nach einer Methode sucht, die extrem breit eingesetzt werden kann, wenn man bereit ist, sich intensiv auf Patienten einzulassen, Kopf und Herz gleichermaßen einzusetzen, beständig zu lernen und sich weiterzuentwickeln, wenn man die politischen Risiken kennt und sich von unfairen Angriffen nicht von seiner Aufgabe und seinen Werten abbringen lässt, dann kann ich guten Gewissens zur Homöopathie raten. Denn trotz der Angriffe ist der Bedarf hoch.
Was ist für Sie ganzheitliche Gesundheit?
Darauf kann ich keine einfache Antwort geben. Es gibt ja die bekannte Definition der WHO, in der Gesundheit als ein Zustand von vollständigem körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefinden gesehen wird. So ganz stimme ich dieser Definition nicht zu. Zum Beispiel ist für mich ein Mensch, der einen Infekt hat, nicht grundsätzlich krank. Es ist für mich durchaus ein Ausdruck von Gesundheit, wenn jemand sich erkältet, dann ein paar Tage Schnupfen hat und dieser nach ein paar Tagen wieder vergeht. Ganzheitliche Gesundheit hat für mich etwas mit Anpassungsfähigkeit an die Umweltbedingungen zu tun, seien es Kälte, Nässe, Viren oder Bakterien oder auch Schock-Nachrichten. Ich kenne auch körperlich behinderte Menschen, die man aus herkömmlicher Sicht deswegen als krank betrachten würde, die aber so viel Lebendigkeit, Herzlichkeit und Engagement zeigen, dass sie mir gesünder als mancher „Gesunde“ vorkommen. Gesundheit ist also auch etwas Relatives.
Ganzheitliche Gesundheit zeigt sich aus meiner Sicht auch in der Fähigkeit, die eigenen Gefühle wirklich zu fühlen und sie angemessen ausdrücken zu können, in sich einen kreativen Funken zu haben, mit dem man Dinge erschaffen oder Probleme lösen will, ein offenes Herz zu haben, das mit anderen mitfühlt. Und zur ganzheitlichen Gesundheit gehört es, im eigenen Leben einen Sinn zu sehen.
Samuel Hahnemann hat in seinem berühmten Organon-Paragraph 9 eine wunderschöne Formulierung gefunden, in der alles enthalten ist. Sinngemäß sagt er: Im gesunden Zustand des Menschen arbeiten alle Teile des materiellen Körpers in bewundernswürdig harmonischem Lebensgang in Tätigkeiten und Gefühlen, so daß unser vernünftiger Geist sich dieses lebendigen, gesunden Werkzeugs frei zum höheren Zweck unsers Daseins bedienen kann.
Wie sollte für Sie die Medizin der Zukunft aussehen?
Die Medizin der Zukunft ist geprägt von Wahlfreiheit und Teamarbeit, gegenseitigem Respekt und Eigenverantwortung. Jeder Patient darf sich bei einem Team von Heilern – Ärzten, Heilpraktikern und Psychologen verschiedener Richtungen – beraten lassen und sich für diejenige Therapie oder Kombination aus Therapien entscheiden, die er danach für richtig hält. Dabei wird immer mit einer möglichst nebenwirkungsarmen, sanften Behandlung begonnen. Konventionelle Medizin und Psychotherapie spielen dabei genauso eine Rolle wie Homöopathie, Pflanzenheilkunde, Akupunktur, Osteopathie usw. Man darf dabei dem Patienten ruhig zutrauen, dass er nach Beratung selbst beurteilen kann, welcher Therapiebeginn für ihn der Richtige ist. Alle bleiben auf Augenhöhe. Das bedeutet natürlich auch, dass die Patienten aufhören, das „Gesundmachen“ komplett an die Behandler zu delegieren. Jeder, der dazu in der Lage ist, übernimmt selbst die Verantwortung für seine Lebensführung, für die Wahl seiner Therapie und für die eigenen Beiträge dazu. Die Medizin der Zukunft erfordert Reife – von uns allen.
Haben Sie vielen Dank für das Interview.
Markus Dankesreiter
Dipl. phys. univ. und Heilpraktiker
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