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Manche Kinder haben es besonders schwer. Durch innere Unruhe, Mangel an Konzentrationsfähigkeit oder scheinbare Unbeherrschtheit stehen sie sich praktisch immer selber im Wege. Andere träumen geradezu bei jeder Gelegenheit weg, scheinen unter einer Glasglocke zu leben, in der sie nur selten zu erreichen sind. Eltern, Erzieher und Lehrer (ver-) zweifeln oft an ihren pädagogischen Fähigkeiten, da alle noch so gut gemeinten Maßnahmen anscheinend fruchtlos bleiben. Obwohl sich die Kinder stark bemühen, reißen die alten „Gewohnheiten“ immer wieder ein. Ursache für dieses scheinbar gegensätzliche Verhalten kann eine neurobiologische Störung sein:
das „Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom“ (ADS).

Neben pädagogischen und verhaltenstherapeutischen Maßnahmen ist ADS homöopathisch und „schulmedizinisch“ behandelbar.
Viele Namen für ein Leiden : „Hyperkinetisches Syndrom“ oder „Minimale cerebrale Dysfunktion“ sind teilweise unzutreffende Bezeichnungen für diese Störung, die sich durch Ablenkbarkeit, Impulsivität und Unrast äußert. Sie kann, muß aber nicht, mit körperlicher Unruhe verbunden sein. Diese Kriterien treffen im Grunde auf die meisten Kinder zu. Der Unterschied ist der Ausprägungsgrad, der ADS-Kinder „anders“ macht. Sie können eingehende Reize nicht genug filtern, „überreagieren“ auf diese „Überflutung“.
Eine klare Diagnose ?
ADS wird heute immer öfter festgestellt. Mit der zunehmenden Diagnosestellung von ADS tun sich aber auch erhebliche Probleme auf. Gegenwärtig kann man den Eindruck bekommen, dass jede Schwierigkeit und Abweichung von der Verhaltensnorm „ADS“ ist. Nach meiner Erfahrung ist ADS ein Oberbegriff für sehr unterschiedliche Verhaltensweisen, die häufig auch sehr unterschiedliche Ursachen haben.Unter diesen Begriff fallen Kinder:

  • die wegen einer Geburtskomplikation Probleme haben, sich eine ausreichend lange Zeit auf eine bestimmte Aufgabe zu konzentrieren,
  • die wegen einer vererbten Störung des Hirnstoffwechsels in bestimmten Hirnregionen permanent in Bewegung sein müssen,
  • oder wegen einer allergischen Reaktion auf bestimmte Nahrungsmittel „ausrasten“.

Andere Störungen wie Angst, Hochbegabung oder soziale und familiäre Schwierigkeiten können ähnliche Symptome hervorrufen. Bei unzureichender Differenzierung bekommen sie ebenfalls fälschlich das Etikett „ADS„ verpasst. Ein Krankheitsbegriff für eine so breit angelegte Palette von Ursachen und Wirkungen birgt die Gefahr der Fehldiagnose, vor allem, wenn die Diagnostik bei aller Verbesserung in den letzten Jahren auf einer derart wackeligen Basis steht, wie das bei ADS der Fall ist: Der amerikanische Kinderarzt , Psychiater und Familientherapeut Dr. Lawrence Diller bringt die Kritik an der aktuellen Diagnostik in seinem Buch „Running on Ritalin„ auf den Punkt:
„Die offiziellen Richtlinien zur Auswertung der ADS – Symptomatik sind vage und interpretierbar – aber sie führen zu einer „Alles oder nichts“ – Diagnose. Es existiert keine Einteilung eines Schweregrads von ADS, sondern nur JA oder NEIN. Die ADS – Diagnose hat keinen definierten medizinischen oder psychologischen Marker, und beruht häufig ausschließlich auf der Lebensgeschichte des Patienten. Die ADS – Diagnose bezieht sich vor allem auf das Individuum und berücksichtigt andere Einflüsse, z.B. familiäre oder psychosoziale, nicht ausreichend.“
Wie entscheidend gerade dieser letzte Punkt sein kann beschreibt der Kinderarzt Daniel Zeidner satirisch: „Es wurde mir mehr und mehr klar…, daß es ein neues Syndrom gibt, und zwar bei den Erwachsenen, die unsere Kinder unterrichten: das „Lehrer – Defizit – Syndrom„ oder „LDS„. Diese Diagnose sollte gestellt werden bei Lehrern, deren Schüler: ständig mit Händen oder Füßen zappeln, unaufmerksam sind, häufig träumen, ihre Hausaufgaben oder Klassenarbeiten häufig nicht vollständig haben, häufig aufstehen. In diesem Fall sollte der Lehrer sofort mit einem Psychostimulanz behandelt werden, damit er einen interessanteren Unterricht macht.„
Das Behandlungskonzept
Die Behandlung von ADS muss maßgeschneidert sein auf die individuellen Probleme des einzelnen Kindes. Ziel sollte sein, daß Kinder und ihre Umwelt miteinander zurecht kommen. Sie beruht auf drei Säulen:

1. Elternarbeit
Dies ist die wichtigste und tragfähigste Säule. Durch umfassende Informationen muss bei Eltern, „Patient„ und sozialem Umfeld (hiezu gehört auch die Schule) Verständnis für ADS geweckt werden. Praktische Tipps und Eltern-Kind-Training helfen, manche schwierige Klippe im Alltag zu umschiffen. Wichtig sind auch Arbeitsbündnisse im sozialen Umfeld, der Dialog zwischen Eltern, Lehrern und Erziehern. Konfrontation ist hier wenig hilfreich, aber leider häufig.

2. Beseitigung von Begleitstörungen
ADS kann Folgen haben, die dringend behandelt werden müssen:

  • Lernstörungen wie Legasthenie oder Rechenschwäche, bedingt durch Störungen in der Feinmotorik oder der mangelnden Aufnahmefähigkeit
  • Schwierigkeiten in der sozialen Integration, da die Kinder praktisch permanent ablehnende und negative Reaktionen aus ihrem sozialen Umfeld bekommen. Hierauf reagieren sie wiederum, indem sie zum Klassenclown werden oder sich in Opferrollen drängen lassen, um es ja recht zu machen. Häufig sind es auch gerade sie, die mit dem „Finger im Marmeladentopf„ erwischt werden, den „clevere„ Kameraden längst leer gegessen haben. Ihnen geht außerdem oft das Fingerspitzengefühl für die „feinen Zwischentöne„ in der Kommunikation ab, so dass sie undiplomatisch oder „ungezogen“ wirken.
  • Emotionale Schwierigkeiten wie ein stark herabgesetztes Selbstbewußtsein und Angst, was durch „nassforsches„ Auftreten kompensiert wird. „Große Klappe, nichts dahinter„ ist nicht selten…
  • Häufig sind auch die Familien durch ADS stark belastet. Familiäre Schwierigkeiten verstärken andererseits wieder die Symptome, so dass ein regelrechter Teufelskreis entsteht.


Bei diesen unterschiedlich ausgeprägten Folgen sind individuell angepasste Fördermaßnahmen erforderlich: Legasthenie-Behandlung, Heilpädagogik, Ergotherapie oder auch Psychotherapie, v.a. mit familiären Ansätzen, gehören in den Behandlungsplan.
3. Die medikamentöse Behandlung

a) Psychopharmaka
Hier stehen bei der Behandlung sogenannte Stimulantien an erster Stelle. Psychopharmaka sind wie ein Gips bei gebrochenem Bein, sie können in Krisensituationen ungeheuer entlastend und stabilisierend sein, ersetzen aber nicht das Laufenlernen. Und nicht jedes „ADS„ ist ein Beinbruch.
Sehr beunruhigend finde ich persönlich Argumente, die die Eltern massiv unter Druck setzen, derartige Medikamente einzusetzen. Das reicht von „einem Diabetiker verweigern Sie ja auch nicht das Insulin„ bis zu „der Verzicht auf Psychopharmaka ist unterlassene Hilfeleistung“. ADS ist aber keine lebensbedrohliche Stoffwechselerkrankung wie ein insulinpflichtiger Diabetes. Viele unerkannte „ADS-ler„ haben ohne chemische Hilfestellung Strategien entwickelt, um sehr erfolgreich zu sein.
Folgende Kritikpunkte an der derzeitig erlebten Praxis der Medikamentenbehandlung möchte ich anbringen:

  •  Stimulantien sind als alleinige Behandlungsmaßnahme nicht ausreichend. Sie wirken, solange angewendet. Positive Langzeiteffekte nach Absetzen konnten bisher nicht ausreichend belegt werden. Derzeit werden aber häufig neben der medikamentösen Therapie, die so wichtigen anderen Begleitbehandlungen nicht durchgeführt. Dies ist auch Folge der einschränkenden Gesundheitspolitik (Budget).
  • Es wird behauptet:“ Stimulantien seien sicher,“ da sie teilweise seit mehr als 50 Jahren im Handel sind und hier ein „positives„ Nutzen-Risiko-Verhältnis aufweisen. Der Beipackzettel enthält allerdings eine Reihe von möglichen Nebenwirkungen, die unter der Behandlung mit Psychopharmaka bekannt geworden sind. De facto sind die Stimulantien ein „Produkt der 90er Jahre.“ Seit 1990 hat die Verordnungshäufigkeit in den USA um mehr als 800% zugenommen. Und auch hier in Deutschland erleben wir einen „Boom„. So standen 1990 nach Verkaufszahlen geschätzt ca. 1200 Kinder unter Stimulantien, 1999 waren es 41.000. Seltenere und ernste Nebenwirkungen entdeckt man häufig erst bei größeren Anwendungszahlen, so dass bei diesen Medikamenten wohl noch nicht alle potentiellen Risiken beobachtet bzw. gemeldet wurden. Tröstlich ist, dass wir von „amerikanischen Verhältnissen„ noch entfernt sind, denn dann müssten 160.000 Kinder mit Stimulantien behandelt werden, um eine ähnliche „Behandlungsdichte„ zu bekommen. Bei dem derzeitigen Verordnungsverhalten werden wir aber in naher Zukunft mit den USA gleichziehen.
  • Stimulantien gelten heute als alleinige „rationale„ medikamentöse Behandlungsform von ADS. „Alternative„ Therapie-Ansätze wie z.B. Homöopathie werden rigoros abgelehnt, teilweise ohne fundierte Sachkenntnis dieser Behandlungsform. Dies ist besonders bedauerlich, da z.B. Homöopathie alternativ oder ergänzend, ein wichtiger Bestandteil der medikamentösen Therapie sein kann, wohlgemerkt im Rahmen eines umfassenden, individuellen Behandlungskonzepts. Aufgrund des wesentlich günstigeren Nebenwirkungsprofils und des langfristig angelegten Wirkprinzips würde ich mich im Interesse der Betroffenen über mehr Offenheit gegenüber diesem Verfahren sehr freuen. In meiner Praxis kommen ca. 85 % der ADS Kinder ohne Psychopharmaka aus und die durchschnittliche Tagesdosierung liegt deutlich unter den sonst häufig verordneten Tagesdosen.

b) Homöopathie bei ADS
Daß es auch anders gehen kann, verdeutlicht folgender Fall:
John – auch ohne Psychopharmaka klappt es!
und in der Gastronomie tätig. John wächst zweisprachig auf. Seine schulischen Leistungen sind eigentlich sehr gut, aber wechselhaft. In den Kernfächern, die über die weitere schulische Laufbahn entscheiden, nämlich Deutsch und Mathematik, ist er allerdings nicht so gut. Auf Grund der wechselnden Leistungen ergeben sich hier Gesamtnoten zwischen drei und vier. Bei John war vom Kinderarzt vor zweieinhalb Jahren ein ADS festgestellt worden. Seit dieser Zeit bekommt er morgens und mittags eine Tablette Ritalin®. In den Ferien wurde jedesmal Ritalin® abgesetzt, da er zu Hause zwar sehr anstrengend sei, aber ohne Schulstreß man es mit ihm aushalten könne. Sobald die Schule jedoch wieder begann, mußte Ritalin® wieder eingesetzt werden. John selber beschreibt die Wirkung der Stimulantien sehr detailliert: Er sagt: „Ich brauche sie, um mich zu beruhigen. Wenn ich sie nicht nehme, kann ich mich nicht richtig konzentrieren. Ich nehme es nicht gerne, sondern weil es nötig ist. Ich werde sonst zittrig und kapiere keine Aufgaben.“
Bei seinem ersten Besuch hatte John die übliche Stimulantien-Dosis genommen. Unter der Medikation erzählte er sehr strukturiert, zeigte überhaupt keine Zappeligkeit und war äußerst kooperativ und motiviert. Er kam ohne seine Mutter mit ins Sprechzimmer, stellte sehr guten Kontakt zu mir her, war offen und freundlich. Für die Diagnostik führte ich verschiedene Tests mit ihm durch, die er souverän meisterte. Wie schon die Beschreibung der Wirkung des Medikamentes auf ihn zeigte, konnte er sich sehr gut selber beobachten. Er sagte, seine Hauptprobleme bestünden in einer inneren Unruhe, die unerträglich würde, wenn er kein Ventil fände. Außerdem ließe er sich leicht ablenken, was in Gruppensituationen noch sehr viel schlimmer sei.
Beim Elterntermin berichtete die Mutter: „John kann „Nein!“ überhaupt nicht akzeptieren. Er will immer mit entscheiden. Er ist sehr dominant. Auf seine ältere Schwester Nicole ist er extrem eifersüchtig. Er hat Kinder schon rausgeschmissen, die Nicole besuchen. Wenn Nicole bei Tisch z.B. etwas erzählt, muß er immer etwas draufsetzen. Berichtet sie beispielsweise voller stolz, sie habe jetzt den Frei- oder Fahrtenschwimmer, hat er mindestens den Ärmelkanal durchquert. Hat sie als künstlerisch begabtes Mädchen für eine Collage in Kunst eine Eins bekommen, ist er mindestens gerade aufgefordert worden, mit seinen Werken ein Museum neu zu bestücken. Er habe Glück, daß die Schwester sehr geduldig sei. John ist extrem trotzig. Wenn er nein sagt, ist nein. Ich habe keine Chance mehr, dann an ihn heranzukommen. Das geht auch anderen so. Zum Beispiel gibt es in der Kernzeitbetreuung ähnliche Probleme. Die Kinder dort hätten allerdings nicht die Engels- (oder Esels-)Geduld der Schwester. Wenn er da ein paar geknallt bekommt, dann wird’s besser. Alles fing an mit dem Laufenlernen. Vorher war er ein sehr pflegeleichtes Baby. Er war eine Frühgeburt und mußte für vierzehn Tage in den Brutkasten, hat sich dann schnell entwickelt. John war oft krank. Häufig hatte er Mittelohrentzündung und Bronchitis, die dann mit Antibiotika behandelt werden mußten. Sobald er sich aber eigenständig bewegen konnte, akzeptierte er keine Grenzen mehr. Er war nicht zu halten. Dabei gefährdete er sich durchaus auch selber. Häufig hatte er Wunden. John war aber schon immer sehr schmerzunempfindlich. So konnte er zum Beispiel auch bei einer Schädelplatzwunde ohne Narkose genäht werden. Als er in die Schule kam, wurde alles noch viel viel schlimmer. Sie brauchten dort dringend Hilfe. Mit Ritalin sei es etwas besser geworden. Es wäre aber heute noch so, auch in der Schule, daß John extrem provozieren würde und keinerlei Autorität akzeptiert. Er redet immer dazwischen. Frustrationen könne er überhaupt nicht ertragen. Wenn er bei einem Spiel verliert, bekommt er sofort Bauchschmerzen.“
Ich begann die Behandlung mit einem homöopathischen Mittel, das sich aus der Anamnese ergeben hatte. Für die Lehrerin gab ich einen speziellen Fragebogen mit und vereinbarte eine Wiedervorstellung in vier Wochen. An diesem Tag sollte John kein Stimulans einnehmen, da ich die Testergebnisse ohne diese Medikation überprüfen wollte.
Vier Wochen später kam John. Wie beim Erstenmal, kam er direkt alleine mit ins Sprechzimmer. Ich hatte erwartet, daß er jetzt sehr viel unruhiger sei, zappeliger und unkonzentrierter. Aber wie beim Erstenmal, meisterte er auch schwierige Testaufgaben souverän. Ich gestehe, ich wurde ein bißchen ärgerlich, da ich ihn doch gebeten hatte, an diesem Tag kein Psychopharmakon einzunehmen.
Ich fragte: „Warum hast Du die Tabletten heute doch genommen?“ John schaute mich ruhig an und sagte: „Ich nehme seit über drei Wochen keine Tabletten mehr. In den Osterferien haben wir damit aufgehört und ich brauche sie jetzt nicht mehr.“ Ich bat seine Mutter mit ins Sprechzimmer, die bestätigte, daß eine sehr dramatische Entwicklung eingetreten sei. Sie hätten seit den Ferien das Gefühl, er brauche die Tabletten nicht mehr und käme ohne aus. Alles sei deutlich besser geworden. Das Zusammenspiel zu Hause läuft gut und harmonisch, von den üblichen familiären Reibereien einmal abgesehen. Auch vom Umfeld sei eine deutliche Veränderung bemerkt worden. Die Reaktionen aus Schule und Kernzeitbetreuung seien ausgesprochen positiv. Von der Lehrerin solle sie einen schönen Gruß ausrichten, den Fragebogen könne sie jetzt nicht mehr ausfüllen, da sich alles positiv geändert habe.
Sicherlich ist auch unter homöopathischer Behandlung nicht in jedem Fall ein so schneller und positiver Verlauf zu erwarten. In vielen Fällen stellt jede medikamentöse Therapie nur einen Baustein des Behandlungskonzeptes dar. Bei Vorbehandlung oder besonders ausgeprägten Fällen kann eine Kombinationstherapie aus Homöopathie und Psychopharmakon sinnvoll sein. Ziel ist es dabei jedoch immer, Dosis und Dauer der Anwendung der Stimulantien zu reduzieren, da die Homöopathie ein günstigeres Nutzen-Risiko-Verhältnis aufweist.
Manfred – ADS und mehr
Manfred hatte neben ADS noch ein anderes Problem, nämlich Angst. Er war schon immer ein relativ ängstliches Kind. Nun aber – er ging in die dritte Klasse – eskalierte das Ganze. Es kam nämlich eine besondere Note hinzu. Er konnte nicht mehr alleine in die Schule gehen. Häufig begann der Tag eigentlich recht gut. Mutig stapfte er los, die Zähne zusammengebissen, den Blick nach vorne gerichtet, um dann weinend, schweißgebadet und aufgeregt wieder zurückzukommen mit den Worten: „Ich kann nicht!“ Fragte man warum: „Ich weiß nicht!“ Die Mutter mußte ihn dann an der Hand nehmen, mit ihm den Schulweg machen, und ihn der Klassenlehrerin „in die Hand drücken“. Danach ging es dann meistens. An einigen Tagen lief es auch anders. Dann ging Manfred nämlich zu seinem Freund Felix. Obwohl er selber nur ca. 500 Meter von der Schule entfernt wohnte, holte er Felix, der eine ganze Ecke weiter weg wohnte erst ab und lief dann mit ihm zur Schule.
Zu anderen Aktivitäten konnte er durchaus alleine gehen, so z.B. zur Pfadfindergruppe oder zum Musikunterricht. Jetzt lag natürlich nahe, daß irgendetwas auf dem Weg zur Schule oder dort vorgefallen war, das diese Ängste hervorrief. Doch alle grünliche Recherche von Eltern und Lehrern brachte nichts an den Tag. Weder eine Erpressung, noch Schlägereien oder Drohungen von größeren Klassenkameraden oder ein Übergriff durch einen bösen Onkel. Die Schwierigkeiten in dieser Form waren relativ plötzlich aufgetreten, was wiederum den Verdacht auf einen konkreten Auslöser lenkte. Aber auch im häuslichen Bereich ließ sich nichts dergleichen ausmachen.
Manfred war eigentlich ein problemloses Kind. Im Kindergarten fiel er nur durch seine enorme motorische Unruhe auf. Durch sein freundliches Wesen konnte er sich aber gut integrieren. Er zeigte hier schon relativ viele Ängste, wenn es um die Trennung von seiner Mutter ging. Häufig mußte sie ihn weinend zurücklassen. Nach fünf Minuten war das allerdings wieder vergessen. Noch heute vermied es Manfred, bei Freunden oder Bekannten zu übernachten. Er sagte über sich selber: „Zum Glück habe ich keine Geschwister, ich muß dann nicht teilen.“
Neben den üblichen ADS-Symptomen hatte Manfred weitere körperliche Symptome, wie Tics, Blinzeln, Zähneknirschen, Nägelbeißen und ein teilweise zwanghaftes Verhalten. So mußte er jeden Morgen duschen und Haare waschen, brachte aber es nicht über sich, frische Kleidung anzuziehen. Wochenlang lief er mit dem selben T-Shirt herum und wenn man ihn gelassen hätte, auch monatelang. Zwang man ihn zum Kleiderwechsel, war er völlig verzweifelt. Insgesamt gesehen war Manfred zum damaligen Zeitpunkt also ziemlich aus dem seelischen Gleichgewicht geraten.
Wir begannen die homöopathische Behandlung.
Vier Wochen später:
Die Mutter berichtete, daß Manfred insgesamt etwas entspannter war. Im Vergleich zu der Zeit vor der Behandlung klappte es häufiger, daß er mit Felix zusammen zur Schule ging.
Zwei Monate später:
Heute kam es zu einem Zwischenfall. In der ersten Stunde sprang Manfred auf, rannte mit wehenden Rockzipfeln aus dem Klassensaal nach Hause. Er war selber schockiert über sein Verhalten und sagte: „Es überkam mich! Ich mußte nach Hause!“ Zwischenzeitlich war es recht gut gegangen. Die meiste Zeit war er alleine zur Schule gelaufen, ohne daß Begleitung von irgendjemandem notwendig war. Nach langem hin und her kam heraus, daß eine Klassenfahrt anstand. auf die er sich einerseits freute, auf der anderen Seite bereitete ihm die Trennung von der Mutter große Ängste. Ich ergänzte die homöopathische Behandlung durch die Zwischengabe eines anderen Arzneimittels.
Weitere 14 Tage später:
Manfred war mit auf der Klassenfahrt. Er selber: „Null Problemo!“ Die Hürde Klassenfahrt genommen zu haben hatte ihn einen großen Schritt weiter gebracht. Er ging alleine zur Schule, bestand aber darauf, daß seine Mutter aus dem Haus war und arbeitet, wenn er sich auf den Weg machte. Das Zwischenzeugnis war gekommen. Im Durchschnitt war er eine halbe Note schlechter als im Vorjahr. Seine schulischen Leistungen hatten aber seit Beginn der homöopathischen Behandlung deutlich gesteigert werden können. Das Zähneknirschen hatte völlig aufgehört und das Nägelbeißen war sehr viel weniger geworden.
Weitere 4 Tage später:
Heute gab`s Drama. Schon das Aufstehen klappte nicht. Es war ihm schwindlig dabei, er hatte Bauchweh. Die Mutter mußte ihn unter großem Wehklagen bis zum Klassenzimmer bringen, wo ihn die Lehrerin praktisch hineinzog. Manfred konnte nicht erklären, warum es dazu gekommen war. Wir machten daraufhin einen Vertrag. Er mußte unterschreiben, daß seine Mutter ihn nicht mehr bis zur Schule bringen muß, wenn er keine konkreten Gründe nennen kann. Ich ergänzte die homöopathische Behandlung noch einmal durch ein lang wirkendes Medikament.
Weitere vier Monate später:
Das Schulzeugnis war sehr gut ausgefallen. In der allgemeinen Beurteilung stand: „Manfred arbeitete interessiert und fleißig mit. Aufmerksamkeit und Konzentration blieben jetzt jeweils lange erhalten. Er ließ sich nur noch sehr selten von der Arbeit ablenken. Beim selbständigen Arbeiten suchte er jetzt oft eigene Wege, ging selbstbewußt, zügig und zielstrebig vor und zeigte viel Durchhaltevermögen…“
Weitere sechs Monate später:
Den Schulwechsel zur Realschule hatte er sehr gut überstanden. Der Schulgang ist kein Thema mehr. Die Schulleistungen sind im guten bis sehr guten Bereich. In die Klassengemeinschaft ist er bestens integriert. ADS-Symptome bestehen immer noch, aber in sehr geringem Ausmaße und stellen derzeit kein großes Problem dar.
Manfreds Geschichte zeigt ein nicht seltenes Phänomen: durch eine andere Erkrankung, Störung oder problematische Umstände und Erlebnisse wird ein bis dahin relativ gut kompensiertes ADS so verstärkt, daß es behandlungspflichtig wird. Hier ist es von besonderer Bedeutung, durch ganzheitliche Therapieansätze das gestörte innere Gleichgewicht wieder herzustellen. Auch in diesen schwierigen, weil kombinierten Störungen kann die Homöopathie schnell und sanft helfen.
Abschließend noch ein Appell an uns alle:
Wenn die gegenwärtigen Schätzungen zutreffen, dass 3 – 10% der Kinder an ADS leiden, müssen wir als Gesellschaft Verantwortung übernehmen und Umgangsformen, vor allem im Bildungssystem finden, um diesen Kindern und späteren Erwachsenen gerecht zu werden. Wir können es uns nicht leisten, sie und ihre Familien „im Regen“ stehen zu lassen, dazu sind sie in jeder Hinsicht zu wertvoll.

Homoeopathie-TV
Author: Homoeopathie-TV